Samstag, 28. November 2015
Worte über: Film
Alleine verloren in der Zeit und Dunkelheit

Mit treibender Marsch-Musik untermalt werden im Vorspann Dokumentaraufnahmen gezeigt; die Persönlichkeiten des 1. Weltkrieges, in den Krieg ziehende Soldaten, Massenaufmärsche, Reden, Jagdszenen. Das lauter werdende Pfiepen einer herannahenden Granate. Eine Explosion. Schwarz. Das schwere Atmen eines Menschen in der stillen Dunkelheit.

Joe wurde von einer Granate total zerfetzt. Er wird zwar medizinisch bestens versorgt, aber nur, da nach Ansicht des Chef-Chirurgen Tillary lediglich der Gehirnteil unbeschadet blieb, der für die Funktionen wie Atmen zuständig ist, um ihn als medizinisches Exempel am Leben erhalten. Im Glauben, Joe würde den Unterschied sowieso nicht feststellen können, landet er schließlich in der Hausmeisterkammer.
Doch in dem "Stück Fleisch" (wie Joe sich selber bezeichnen wird) ist noch Leben und Bewusstsein vorhanden. Joe ist noch da, ohne Möglichkeit, sich mitteilen zu können.
In Rückblenden erinnert er sich, wie seine pazifistische Freundin Kareen ihn - im vollen patriotischem Eifer, für sein Land an die Front zu gehen - überreden versucht, mit ihr gemeinsam den Krieg zu entfliehen. Oder an den Tod seines Vaters.
Währenddessen muss er in der Wirklichkeit nach und nach feststellen, wie wenig von seinem Körper übrig blieb.
Die Erinnerungen vermischen sich mehr und mehr mit Träumen und werden immer surrealer.

Es ist im Handlungsverlauf durchaus eine tiefe christliche Symbolik vorhanden. So spielt Jesus (im Jenseits) mit einer Gruppe junger Soldaten, die wissen, wann und wo sie sterben, Karten; beeilend, den abfahrenden Zug nicht zu verpassen. Obwohl nicht tot, darf Joe auch dabei sein.

Ähnlich wie in Powells & Pressburgers Irrtum im Jenseits sind die Träume in Farbe, während sich die Wirklichkeit in s/w abspielt. Und ähnlich wie in Irrtum im Jenseits lässt sich - sicherlich auch innerhalb der christlichen Symbolik - interpretieren, ob die Träume und Halluzinationen nicht doch real sind.
So fragt Joe Jesus in einer Szene, wie er Traum & Realität unterscheiden könne, wie er merke, wann er träume - ohne Arme o. Beine bewegen zu können, Augen nicht mehr vorhanden sind, die aufgeschlagen werden können. Selbst Jesus muss schließlich passen und auf ein Wunder hoffen.

Es macht sich aber auch in der Realität eine Entwicklung durch, weg vom kühl & berechnend agierenden Tillary, über eine neue Oberschwester, die zu ersten mal die Fenster öffnet (ein sehr schöner Moment, wo Joe nur so vor Glück strotzt, durch die Wärme der Sonne und die Kühle der Nacht endlich die Zeit bestimmen zu können), bis zu einer neuen Schwester, die bereits Gefühle für Joe entwickelt.

Leider geht dem Film nach dem drastischen und bedrückenden, einem den Hals zuschnürenden Anfang (in dem Joe mehr und mehr entsetzt feststellen muss - noch in der Hoffnung, bald wieder auf den Beinen zu sein und die Welt wieder sehen zu können - das Arme und Beine amputiert worden sind, sein Gesicht nicht mehr vorhanden ist) etwas die Luft aus. Die Handlung besteht nunmal daraus, dass Joe alleine im Bett liegt und träumt. Richtige Spannung wird kaum aufgebaut, wodurch ich Johnny zieht in den Krieg mit der Zeit etwas langatmig fand (Bis auf das Finale zugesteuert wird).

Ich habe auch selten einen(Anti-)Kriegsfilm gesehen, in dem so wenig Krieg vorhanden ist - oder Kampfszenen zu sehen sind. Vielmehr steht die Persönlichkeit des Individuums Joe im Mittelpunkt; anstatt die Grausamkeiten des Krieges anhand Schlachten zeigen zu wollen, ist es hier die Gefühlslosigkeit der Menschen in der Armee.

Dies ist Dalton Trumbos, wegen der Kommunisten-Jagd während der McCarthy-Äras jahrelang mit einem Berufsverbot in Hollywood belegt, einzige Regiearbeit.